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Interieurdesign: Möbel mit Mentalität

Das Interieur widerspiegelt das Innenleben und umgekehrt: Mario Franz, Wohnexperte in dritter Generation, weiss, wie es sich einrichten lässt, mit Designmöbeln das Daheim ­gleichermassen zu verschönern wie das Daseinsgefühl.

Es bleibt in der Familie: Nach rund zehn Jahren im ­elterlichen Betrieb übernimmt Mario Franz dieses Jahr die Leitung von «intraform»: «Möbelberatung erfordert ­Menschenkenntnis, die Multimedia nicht zu ersetzen ­vermag.»

Mario Franz setzt sich hin, lehnt sich zurück und legt die gefalteten Hände auf den Tisch nicht auf irgendeinen Stuhl, nicht an irgendeinen Tisch. Denn weder im Beratungsraum noch im rest­lichen Showroom von «intraform» in der Berner Altstadt ist etwas dem Zufall überlassen, sondern dem Finger- ja dem Zehenspitzengefühl. «Beim Wohnen geht es al­lem voran um das Wohlbefinden», sagt der Geschäftsführer in dritter Generation. Gerade in den letzten Jahren sei die Wohnsituation in den Fokus gerückt: das eigene Zuhause als Zufluchtsort in einer unsicheren Zeit, welche die Grundfesten durchaus ins Wanken brachte (und bringt), als Schlüsselelement für die (geistige) Gesundheit. Ein Ort, der nicht mit dem Gedanken einhergeht «dann bleibe ich halt zu Hause», sondern vielmehr mit «dann bleibe ich lieber zu Hause». Ein Nest, das nicht aus be­­liebig gepickten Halmen, sondern mit bewusst gewählten Highlights gebaut ist.


Die Gestaltung der Räume wirkt sich auf das Fühlen, Denken, Verhalten und Handeln jener aus, die sie bewohnen – und umgekehrt können letztere mit der indi­viduellen Inneneinrichtung ebendiese ­Faktoren beeinflussen. Wie das gelingt, zeigt Familie Franz seit über fünfzig ­Jahren auf: 1962 gründeten Erwin und Trudy Franz, die Grosseltern von Mario Franz, das Möbelgeschäft an der dama­ligen Metzgergasse 47.

Schweizer Handwerk trifft brasilianische ­Fröhlichkeit: Das Meer an der Copacabana, die üppige Vegetation ­Brasiliens und ­olympisches Gold – all diese Farben ­spiegeln sich in der Oberfläche der Leuchte, hergestellt von «Röthlisberger» in Gümligen.

Zierden statt Zapfsäulen

1972 erfolgte Umzug an die heutige Adresse, an die Rathausgasse 76, wo nichts war, wie es heute ist: Im über 500-jährigen, markanten Riegbau gab es keine Schaufenster, dafür einen Kiosk und eine Tankstelle, denn vormals befand sich hinter den historischen Gemäuern eine Lastwagen-Werkstatt. Da der Platz beschränkt war, baute Erwin Franz so manch ein Möbelstück bei sich zu Hause zusammen und lieferte es im vollbeladenen Privatauto aus, mit auf dem Dach festgebundenen Einzelteilen.

«Aus dem, was zur Verfügung stand, holte man das Beste heraus», erinnert sich Mario Franz, der schon als Junge Händchen in der Werkstatt bot und sich sein erstes Taschengeld mit Abheften verdiente: 10 Rappen pro Kundenmappe klimperten in sein «Kässeli».


Retro-Klassiker im Hier und Jetzt: 1948 entwarfen Charles und Ray Eames den Stuhl mit körpergerecht geformter Schale und einem Konzept für verschiedene Untergestelle. Nicht zuletzt mit ihrer Idee, bis dahin farbloses Fiberglas in etlichen Nuancen auszutüfteln, schrieben sie Designgeschichte. intraform.ch

Welch komplexe Konstruktion das Gebäude barg, kam erst bei den Umbauten 1982 und 1992 zum Vorschein, mitsamt Souvenirs von einst, wie einem blechernen Tankstellenschild. Beschildert ist die Ausstellung heute nicht, denn man begibt sich intuitiv-entdeckerisch in das lebendige Labyrinth aus Liegelandschaften und Lichtobjekten, wo man öfters den Reiz verspürt, auf der Stelle einziehen zu wollen. Die Etagen auf den 1000 Quadratmetern sind derart verschachtelt, dass man beim Rundgang die Hausnummer wechselt, ohne es zu bemerken.


Lebensnahes Möbel-Portfolio

Zwanzig Räume repräsentieren das Portfolio weltweit führender Marken und kleiner, innovativer Manu­fakturen: Ein Sessel, der ebenso Skulptur ist wie Sitzgelegenheit. Eine Lampe, die mehr Liebe ausstrahlt, als dass sie es nötig hat, mit Licht zu blenden. Ein Regal, das Designgeschichte in Tablaren dichtet. Ein Stuhl, den man selbst in chaotischen Zeiten nicht unter Kleiderbergen verschwinden lässt. Die Einrichtungsideen sind nicht dem «Hast du das, bist du was»-Hochglanzkatalog entliehen, sondern lebensnah – schliesslich ist die Realität oft eher kleiner Altbau als grosses Loft, eher kunterbuntes Kinderspielzeug als Kunstsammlung und eher Einrichten in Etappen als Rundumerneuerung.

Auf Ikone komm raus! Beseelt vom ­Pioniergeist der Gebrüder Eames, ­lancierte der Schweizer Möbelhersteller «Vitra» die Neuauflage des outdoor­tauglichen Originals, die es in Farben von Sonnengelb bis Eisgrau gibt. ­intraform, Rathausgasse 76, Bern

Sesselrücken der Generationen

Im selben Haus, in dem sich der Laden befindet, aufgewachsen, entwickelte Mario Franz früh Freude am Handwerklichen. Bei der Berufswahl schlug er aber eine andere Richtung ein – vorerst: Als Kind jener ersten Generation, die faszinierenderweise mit einem PC gross geworden war, entschied er sich für die IT-Branche. «Auch dort geht es darum, das Bedürfnis der Kundschaft zu analysieren und eine Lösung zu kreieren», zieht er Parallelen zu seiner heutigen Tätigkeit als Wohnberater. «Doch ist IT wenig sinnlich im Vergleich zur Raumgestaltung», begründet er den ­Jobwechsel, den er vor rund zehn Jahren vollzog.


Was ihm in Talentteilen von seinen Grosseltern und Eltern in die Wiege gelegt wurde, lernte er schliesslich in mehreren Ausbildungen von der Pike auf. «Es ist schön, auf die Wurzeln zurückzublicken – und diese in die Zukunft weiterzuziehen», bemerkt er im Hinblick auf das Sesselrücken in der Geschäftsleitung, welches dieses Jahr über den Tisch geht. Von seinem Vater Edi Franz habe er unter anderem gelernt, Argumente für die Qualität eines Designs auszumachen: «Er hat mir beigebracht, mir systematisch – über persönliche, sinnliche Eindrücke hinwegblickend – ein fundiertes Urteil zu bilden.»

Einfühlsam einrichten: «Trends kommen und gehen. Doch was bleibt, ist der Mensch mit seinen ­Bedürfnissen, Interessen und ­Vorlieben», beschreibt Edi Franz die Philo­sophie des Möbelgeschäfts, das er 1988 von seinem Vater übernahm.

Tacheles zum Thema Trend

«Nach wie vor kommen Leute in das Geschäft, die schon Kunden meines Grossvaters waren», erzählt er, «und dieselben Möbel immer noch nutzen und schätzen.» Dies bestätige einerseits die generationenüberdauernde Güte, andererseits sei es faszinierend, wie «uralt» manche Designs seien und dennoch in die Zeit passen, als hätte man sie im Geiste der Gegenwart erdacht. Ein Kniff der Kunst, einzelne Räume oder ganze Wohnungen einzurichten, bestehe darin, ­Klassiker und zeitgenössische Möbel in Symbiose zu vereinen.